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Tag
3
In
meinem Hotel haben sich anscheinend eine ganze Reihe von NS2-Kandidaten
einquartiert. Im Flur treffe ich gleich zwei weitere und dann kommt
auch noch Kimberly dazu. Wir erzählen und proben auf dem Gang und
einige Außenstehende kommen dazu, um uns zu lauschen. Eigentlich wollte
Kimberly Tim McGraw´s "Cowboy In Me" als Coversong versuchen, also als
"Cowgirl In Me". Das könnte ich auch problemlos
begleiten. Aber sie möchte nun doch lieber "There Is No Arizona"
vortragen, ein typisches Gitarrenstück. Dann muss jemand anders mit ihr
spielen. Sie fährt mich zur Halle und im Auto läuft Gospel. Wir hören
uns den Chor ihrer Kirchengemeinde an. Wahnsinn! Gar nicht Country aber
super Mucke! Heute steht keiner mehr Schlange vor der Halle, wir haben
einen Termin bekommen und sind ab 12 Uhr mittags bestellt. Trotzdem
wieder viel Papierkram und Akkreditieren. Ohne Backstagepass geht hier
gar nichts.
Heute sollen noch 10 Teilnehmer für die morgige Finalrunde übrig
bleiben, und ich habe mich schon mental vom Wettbewerb verabschiedet.
Für die TV Guide, eine Fernsehzeitschrift müssen wir uns fotografieren
lassen. Trotz klirrender Kälte draußen läuft drinnen die Klimaanlage
und verursacht ein leichtes Kratzen im Hals. Kimberly bittet mich um
meinen Schal. Ganz Gentleman leihe ich ihn ihr. Ich halte so durch und
singe erneut "Who´s Your Daddy", diesmal allerdings darf ich mich am
Keyboard begleiten bekomme für jedes Lied ca. 2 Minuten auf dieser
endgeilen Bühne. Dann performe ich "Becky´s Song", die vorgeschriebene
Eigenkomposition. Allerdings sagt heute die Jury nicht direkt, wer
weiterkommt. Dies geschieht nach dem Casting am Abend im Rahmen einer
eigenen Show. Meine Mitbewerber geben mir ein dickes Lob, sie mögen
Becky´s Song. Einige sprechen mich auf die Radiosendung von gestern an.
Sie haben die Show auf dem Rückweg von der Halle nach Hause im Auto
gehört und mich erkannt.
Auch "Buck In the Truck" ist wieder vor Ort. Ich habe ihm gestern eine
CD von mir geschenkt und er hat sie begeistert gehört. Nun stellt er
mir einen ganzen Stapel der neuesten Country-CDs und DVDs auf den
Tisch. Ein kleines Dankeschön vom Sender. Mann, das Zeug ist mindestens
250 Dollar Wert! Ich bin begeistert! Buck meint, Jack´s Sendung hören
im Schnitt ca. 300000 Leute in Georgia und den Carolinas. Wow!
Die
Audition zieht sich hin. Schon 20 Uhr und immer noch sieben Kandidaten.
Aber die Jury ist geduldig. Wer fertig ist sitzt backstage und knabbert
an seinen Fritten (freedom fries) und seinem Burger.
Endlich sind wir durch. Nun zieht sich die Jury für eine Stunde zur
Beratung zurück. Alle Teilnehmer der zweiten Runde werden nun seitlich
der Bühne auf die VIP-Plätze verteilt. Nichts passiert und wir
vertreiben uns die Wartezeit, indem wir gemeinsam Countrysongs singen.
Was für ein Riesenspaß. Ich bin super glücklich. Dann gehen die Kameras
wieder an und die Jury kommt zurück. Der Produzent verkündet, dass er
nirgendwo sonst soviel Potenzial wie in Atlanta gesehen hat und darum
nicht 10 sondern 17 Leute in die Endrunde kommen. Das lässt hoffen. Ich
sitze neben meinen neuen Freunden und die Namen der Finalisten werden
verlesen. Sie sollen dann auf die Bühne kommen und sich feiern lassen.
Die erste Gewinnerin wird verlesen und stürmt freudig auf die Bühne.
Doch dann hat ein Kameramann vergessen, sein Gerät einzuschalten und
die Szene muß wiederholt werden. Aus technischen Gründen gleich dreimal
und die erste Gewinnerin versucht, immer noch so überrascht wie beim
ersten mal zu wirken. Dann geht es Schlag auf Schlag, drei weitere
Namen fallen und dann: "Bob Style". Ich kann es nicht fassen, jubel in
die Kamera und gratuliere den anderen Finalisten. Dann warte ich, dass
Kimberly aufgerufen wird, doch sie ist nicht dabei. Ich weiß nicht,
nach welchen Kriterien die Gewinner ausgesucht werden. Es tut mir so
leid für sie.
Wir müssen auf der Bühne bleiben, werden nochmals interviewt. Dann
bekommen wir T-Shirts von USA Network, KICKS Country ABC Radio Network
und weiteren Sponsoren wie Chevy Silverado, Mc Donald´s und anderen
Firmen, die wir für Werbefotos (nacheinander) überstreifen sollen. Der
Produzent brieft uns für morgen, rät uns, einen anderen Coversong als
heute zu singen. Rechtlich muß alles 100% wasserdicht sein, denn die
morgige Show wird komplett im Fernsehen übertragen, da darf es keine
offenen Copyrightfragen oder ähnliches geben. Wir mussten von Anfang an
übrigens alle Markennamen an unserer Kleidung abkleben lassen und
schriftlich versichern, uns aller Obszönitäten und Geschmacklosigkeiten
zu enthalten. Außerdem sagt Dave knallhart: "Dies ist ein
Countrycasting, bitte seht morgen auch aus wie Countrysänger". Ich
wette, heute Nacht hat Boot Village wieder Hochkonjunktur.
Dann fügt er hinzu: "Mir ist es egal, wer hier gewinnt, ich bin morgen
eh nicht mehr da. Aber alle, die hier noch übrig sind haben das Zeug
zum Siegen! Wer also nicht zu den zwei Gewinnern morgen gehört, darf
sich berechtigte Hoffnungen auf eine Wild Card machen. Wir vergeben um
die 20 dieser Zusatzchancen und warum sollen die Leute dafür nicht auch
aus Atlanta kommen." Wer in die dritte Runde kommt, muss vor seinem
Auftritt ein Homevideo einreichen. Darauf müssen 10 Minuten Musik und
10 Minuten Umfeldstory sein. Das Band wird auch teilweise gesendet und
dient den Produzenten dazu, die Wild Cards zu verteilen. Ich musste
dieses Band schon Wochen vorher drehen lassen und sicherstellen, dass
es auch in den USA angeschaut werden kann. Denn hier sind Videos in
NTSC und nicht in PAL, dem europäischen Format. Darum haben wir das
Video als DVD produziert. Buck hat es sich heute Nachmittag angeguckt
und mir versichert, dass es brauchbar ist. Auch Dave gebe ich
sicherheitshalber eine Kopie zum checken. Es funktioniert in seinem
Laptop und ich kann beruhigt sein. Nun wartet schon wieder eine TV-Crew
auf ein Interview, die wollen mich aber ins Hotel begleiten, beim
Proben filmen und dabei sein, wenn ich die Nachricht über mein
Weiterkommen telefonisch nach Deutschland durchgebe. In dem ganzen
Durcheinander komme ich nicht mehr dazu, von der Bühne zu gehen und
Kimberly ist weggefahren - mit meinem neuen Schal! Vielleicht ist es
Gewohnheit, aber ich habe einen Schalkomplex. Sobald es Herbst wird,
muss ich einfach einen schönen warmen Schal um den Hals tragen, sonst
versagt die Stimme.
Also mal warten, ob Kimmy ihn morgen vorbeibringt oder ob ich mir
wieder einen neuen kaufen muss. Auf jeden Fall werfe ich die
Fernsehcrew nach einer halben Stunde aus meinem Zimmer raus und gehe zu
Hooters in Gwinnett feiern. Diese US-"Restaurant"-kette hat
Kellnerinnen mit "sehr überzeugenden Argumenten" und wir Cowboys haben
uns schon gestern diese Location für die Aftershow-Parties ausgesucht.
Ich komme rein in voller Westernmontur und die Mädels gucken mich an.
"So did you make it?" Ich rufe "hell yeah", und gebe eine Lokalrunde.
Mit ein paar weiteren Teilnehmern feiern wir bis in die Nacht. Kein
Problem, das Finale beginnt morgen erst um 14 Uhr. Als ich nachts ins
Hotel komme, habe ich eine Nachricht auf dem AB: Es ist Kimberly. Sie
fliegt morgen früh zurück nach Memphis und wollte sich verabschieden.
Sie ist auch traurig, will jedoch auf jeden Fall weitermachen. Alles
andere wäre auch Talentverschwendung. Sie will mir meinen Schal nach
Deutschland schicken. Ich möchte ihr ihn aber schenken, als Andenken
und zum Trost. Zeit zum Schlafen, morgen wird es wieder spannend.
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